Ulysses – James Joyce’ bedeutendster Roman
… und einer der unkonventionellsten Romane aller Zeiten
Ulysses (englisch für Odysseus, von lateinisch Ulixes) gilt als der bedeutendste Roman des irischen Schriftstellers James Joyce und als richtungsweisend für den modernen Roman.
Joyce beschreibt im Ulysses in 18 Episoden einen Tag, den 16. Juni 1904, im Leben des Leopold Bloom, seines Zeichens Anzeigenakquisiteur bei einer Dubliner Tageszeitung. In Anlehnung an Homers Irrfahrten des Odysseus lässt er den Leser an den (Irr-)Gängen seines Protagonisten durch Dublin teilhaben.
Joyce schildert dabei nicht nur die äusseren Geschehnisse, sondern auch die Gedanken seiner Protagonisten mit allen ihren Assoziationen, Erinnerungsfetzen und Vorstellungen. Die Sprache wird dabei ungeordnet und bruchstückhaft verwendet, „wie es der Person gerade durch den Kopf geht“. Dieses von Verfassern wie Arthur Schnitzler bekannte Stilelement, der sogenannte Bewusstseinsstrom, wird hier erstmals zentrales Gestaltungselement eines Romans.
Das vollständige Werk erschien erstmals am 2. Februar 1922 (seinem 40. Geburtstag, einer selbstgesetzten Frist Joyces), in deutscher Sprache erst 1927.
Entstehung
Ursprünglich war der Stoff des Romans als 13. Erzählung in dem Band Dubliner geplant, Joyce entschied sich jedoch anders und begann 1914 mit einer epischen Bearbeitung.
Ab 1918 erschienen Auszüge in mehreren Teilen zuerst in der amerikanischen Zeitschrift Little Review. Wegen Obszönität wurden die entsprechenden Ausgaben mehrfach vom United States Post Office beschlagnahmt. 1919 erschienen weitere fünf Fortsetzungen in der englischen Zeitschrift Egoist der Avantgardistin Harriet Weaver.
Am 2. Februar 1922, seinem 40. Geburtstag, erschien, einer selbstgesetzten Frist Joyces entsprechend, die Erstausgabe des Ulysses. Die Arbeit an dem Werk hatte ihn dermassen erschöpft, dass er mehr als ein Jahr lang nicht schrieb. Die vollständige Erstausgabe erschien, verlegt durch Sylvia Beach, Besitzerin der Buchhandlung Shakespeare and Company (Rue de l’Odéon 12) in Paris, allerdings gekürzt um Passagen, die zu dieser Zeit als obszön galten. Die erste vollständige und von Joyce autorisierte deutsche Übersetzung durch Georg Goyert erschien 1927. Ursprünglich hatten die Kapitel des Romans Überschriften, die sich auf die Odyssee beziehen; in der letztlich publizierten Fassung hat Joyce sie weggelassen.
Das Manuskript des Ulysses befindet sich im Rosenbach Museum & Library in Philadelphia.
Am 15. Januar 1941 wurde James Joyce in einem einfachen Grab auf dem Friedhof Fluntern oberhalb von Zürich beigesetzt. Im Jahr 1966 wurde er am Bloomsday umgebettet und erhielt zusammen mit seiner 1951 verstorbenen Ehefrau Nora Barnacle ein Ehrengrab der Stadt Zürich auf dem Friedhof Fluntern, das mit einer Statue des amerikanischen Künstlers Milton Hebald geschmückt ist. Ihr gemeinsamer Sohn Giorgio und dessen Frau Asta Jahnke-Osterwalder Joyce wurden ebenfalls in diesem Grab beigesetzt.
Interessante Fakten zu Ulysses
Warum Leute vorgeben, Ulysses gelesen zu haben
Das Buch erscheint regelmässig in den besten Romanlisten und ebenso in der Kategorie „Bücher, welche ich noch nicht beendet habe“ – 2009 belegte es bei einer am Welttag des Buches durchgeführten Umfrage den dritten Platz (hinter Orwells 1984 und Tolstois War and Peace) bei einer Rangliste über Bücher, über welche die meisten Leute lügen, sie gelesen zu haben.
James Joyce war kein literarischer Snob
Joyce selbst schrieb über Ulysses: „Ich habe so viele Rätsel und Geheimnisse eingebaut, dass die Professoren Jahrhunderte lang damit beschäftigt sein werden, darüber zu streiten, was ich meinte, und nur so kann man sich die Unsterblichkeit sichern.“
Man kann das Buch lesen, wie man es will
In seinem kürzlich erschienenen Buch „Ulysses, A Reader’s Odyssey“ empfiehlt Daniel Mulhall, Irlands Botschafter in den USA, bei der Navigation durch das Buch Abkürzungen zu nehmen.
Mulhall hat recht, man kann das Buch sicherlich auf viele verschiedene Arten lesen, und man muss nicht alles komplett verstehen, das geht gar nicht – es ist enzyklopädisch, und das Buch wird jedes Mal anders sein, wenn man es in die Hand nimmt.
Audio ist eine grossartige Möglichkeit, das Buch zu erleben
Es lohnt sich, eine Audioaufnahme des Buches anzuhören. Via dem folgenden Link finden Sie die am häufigsten empfohlene Version des irischen Radios: RTÉ1-Version
Diese Version erweckt das Buch zum Leben. Teile, welche Sie beim Lesen zwar aufnehmen, aber vielleicht nicht verstehen, machen plötzlich Sinn und Sie machen sich keine Sorgen mehr darüber, dass Sie nicht alles vollständig verstehen, die Sprecher/Schauspieler sind dabei eine sehr grosse Hilfe.
Molly Bloom als feministische Figur
In der letzten Folge von Ulysses, «Penelope» treffen wir schliesslich auf Molly Bloom, deren Monolog Gegenstand unzähliger akademischer Abhandlungen war. DH Lawrence beschrieb die Folge als „das Schmutzigste, Unanständigste, Obszönste, was je geschrieben wurde“. Viele Kommentatoren sehen in Joyce eine frühe Feministin und Störerin patriarchaler Konventionen, die insbesondere in der Masturbationsszene Molly als befreite Frau ihre sexuelle Lust befriedigen lässt.
Es gibt im Roman nicht wirklich viele Frauen – sie bevölkern zwar die Strassen von Dublin, aber sie werden auch an den Rand gedrängt. James Joyce gibt ihnen eine Art Zentralität, aber er muss auch anerkennen, dass sie sozial keine Macht haben und nicht in diesem Masse in der Geschichte vorkommen.
Molly Bloom ist eine widersprüchliche Figur, welche schwer in den Griff zu bekommen ist. Sie macht die Frauen schlecht und nennt «eine schreckliche Menge Schlampen», aber gleichzeitig hat sie aussergewöhnliche Passagen darüber, wie es ist, der Körper einer Frau zu haben. Sie wurde von frühen Lesern als sehr schockierend angesehen, und das auch noch einige Jahrzehnte danach. Sie mischt alles durcheinander und ist Feministin und Antifeministin gleichzeitig.
Ulysses wurde in Irland nie verboten
Nur wenige Verleger wagten es, Ulysses anzufassen, weil es als so schockierend und obszön galt. Die «Little Review» in New York begann damit, einige der Kapitel, die Joyce 1917 fertiggestellt hatte, in Fortsetzungen zu veröffentlichen, aber das kam zum Erliegen, als die Herausgeber strafrechtlich verfolgt wurden.
In London gründete die Aktivistin und Zeitschriftenredakteurin Harriet Shaw Weaver ihre eigene Druckerei, um Ulysses zu drucken, aber die Druckerei weigerte sich, sie weiter einzustellen. Schliesslich veröffentlichte Sylvia Beach, eine junge Amerikanerin, die die Buchhandlung Shakespeare & Co. in Paris betrieb, es. Obwohl «Ulysses» in Grossbritannien und den USA verboten war, wurde es in Irland nie offiziell verboten, als Grund sieht man an, dass das Gesetz zur Zensur von Veröffentlichungen erst 1929 eingeführt wurde, und somit erst, nachdem das Buch bereits erschienen war.
Die meisten irischen Schriftsteller haben «Ulysses» sicherlich gelesen, also müssen sie ein Exemplar in die Hände bekommen haben. Seán Ó Faoláins Biographie erwähnt, dass er Daniel Corkerys Haus in Cork besuchte und «Ulysses» im Regal sah. Auch William Butler Yeats hatte eine Kopie, obwohl er nicht alles gelesen hat. Erst als Penguin 1968 eine Taschenbuchausgabe produzierte, erreichte «Ulysses» Bestseller-Status und wurde «salonfähig».